01|06|2019
Die 17. AKG-Fachtagung im Rahmen des AKG-Frühjahrstreffens war ein enormer Erfolg – mehr als 100 Teilnehmer kamen nach Hamburg. Das Thema und die einzelnen Referate waren nicht nur für Architekten des Krankenhausbaus von großem Interesse.
Joachim Welp, Dipl.-Ing. Architekt BDA der Architektengruppe Schweitzer + Partner Braunschweig und Vorstandsmitglied des AKG, beschäftigt sich schon seit geraumer Zeit mit dem Thema des zukünftigen Bauens, nicht nur hinsichtlich der Energieeinsparung, sondern auch zukunftsweisend hinsichtlich Material, Konstruktion, Nachhaltigkeit der Baustoffe und technologischer Prozesse bis zu 3 D-Modeling und Robotereinsatz auf der Baustelle.
Mit diesem hohen Anspruch und der Frage „Wie bauen wir in der Zukunft?“ organisierte und moderierte Joachim Welp die 17. Fachtagung und konnte hochkarätige Referenten zu diesen Fragen gewinnen. Dabei fand ein interessanter Dialog nicht nur intern zwischen den Architekten, sondern in besonderem Maße zwischen Wissenschaftlern, Ingenieuren, Baustoffkundlern, Architekten und nicht zuletzt Politikern statt. Fünf Referenten gestalteten einen spannenden Vormittag am 29. März 2019 im Museum für Hamburgische Geschichte, einem der großartigsten Museumsgebäude des frühen 20. Jahrhunderts, errichtet von Hamburgs Oberbaudirektor Fritz Schumacher.
Den Vortragsreigen eröffnete nach einführenden Worten des AKG-Vorsitzenden, Dipl.-Ing. Architekt BDA Christian Pelzeter, der Leiter der Geschäftsstelle Nachhaltiges Bauen des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBSR) Dipl.-Ing. Nicolas Kerz. Er legte mit seinem Vortrag „Zukunft Bau“ die theoretische Grundlage und stellte sich kompetent den Fragen und dem Diskurs anschließender Redner und den Zuhörern. Unter anderem veranschaulichte er anhand von Zeitprognosen, was Deutschland bis 2050 realisieren muss, um das Ziel, die Treibhausgasemission auf 20 bis 5 CO2-Äquivalente zu verringern, zu erreichen. Er stellte ein „Plusenergie-Gebäude“ vor und verwies auf anspornende Forschungsförderung.
Als Leiter des Fachgebietes Baustoffe an der Technischen Universität Braunschweig schilderte Prof. Dr. Ing. Dirk Lowke mit Beispielen aus dem „Betonlabor“ die Möglichkeiten und Vorteile der Addition Fertigung, die einen Beitrag zum ressourceneffizienten Bauen der Zukunft leistet.
Beispiele des 3-D-Druckens mit Beton wurden vorgestellt: der Partikel-, der Extrusion- und der Spitzbeton-3-D-Druck.
Mit diesen Verfahren sind ganz neuartige Designs und eine neue Ästhetik möglich; durch Strukturoptimierung gelingen optimierte und damit wirtschaftlich effiziente Tragkonstruktionen.
„Wie bauen wir in der Zukunft?“ Auf diese sehr umfassende und anspruchsvolle Frage ging Professor Manfred Grohmann, vom weltweit tätigen Büro Bollinger + Grohmann Ingenieure ein. Er führte im Rückblick aus, dass die Arbeitsproduktivität des Baugewerbes gegenüber allen anderen Wirtschaftsbereichen nicht gestiegen ist. „Die Bauindustrie belegt von allen Industrien den vorletzten Platz hinsichtlich des Digitalisierungsgrads – knapp vor Jagd und Fischerei.“
In seinen Ausführungen verwies er auf die Additive Fertigung und somit auf seinen Vorredner Prof. Lowke mit den Beispiel des 3-D-Betondrucks der TU Braunschweig. Um den stark wachsenden Bedarf nach Wohnungsbau gerecht zu werden, stellte er Lösungen in Form von Elementierung vor, was er am Beispiel eines Schulprojektes veranschaulichte.
Eingehend auf die Nachhaltigkeit von Baustoffen führte er zunächst den dramatischen Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre an und schlug damit einen Bogen zum Vortrag des Leiters der Geschäftsstelle Nachhaltiges Bauen Nicolas Kerz. Konkret stellte er dar, dass „bei der Herstellung von Zement mehr CO2 entsteht, als durch den gesamten Flugverkehr weltweit“.
Ein weiteres Rohstoffproblem bei der Herstellung von Beton ist die zunehmende Verknappung von Sand. Als nachwachsender Rohstoff steht Holz an erster Stelle, was er an sehr interessanten Bauten, u. a. in Holz-Hybrid-Bauweise, veranschaulichte. Außerdem zeigte er vorgefertigte Lehmwände mit dem anschließenden Appell: „Die Konstruktion mit Biomasse-Materialien ist einer der wirksamsten Beiträge zur Minimierung der Klimawandel-Effekte“.
Ingenieur Dr. Jan Mittelstädt, von Knippers Helbig Advanced Engineering stellte sehr eindrucksvoll die selbsttragende Struktur der Nachhallgalerie der Staatsoper Berlin vor, die im Zuge der Sanierung und der Erhöhung des Konzertsaales als innovatives Tragwerk entstand.
Die geplante Rautenstruktur besteht aus glasfaserverstärkter Phosphat-Keramik; nur fünf unterschiedliche Formen waren erforderlich. Mittels Robotertechnik, moderner Materialien und neuer Logistik wurde feinfühlig mit der klassischen Architektur umgegangen; ein Beispiel hoher Innovation. Allerdings waren bautechnische Zustimmungen im Einzelfall notwendig, die dank der Zusammenarbeit mit der Materialprüfanstalt Stuttgart erlangt werden konnten.
Ebenfalls Zustimmungen im Einzelfall benötigte Dipl.-Ing. Architekt BDA Martin Haas mit seinem Büro Haas Cook Zemmrich – Studio 2050, Stuttgart, für sein Projekt Alnatura Campus in Darmstadt, das er einer begeisterten Zuhörerschaft mit großem Engagement vorstellte.
Dieses Bürogebäude zeichnet sich insbesondere durch eine innovative Stampflehmfassade aus, die weltweit erstmals mit einer geothermischen Wandheizung belegt wurde. Außergewöhnlich ist auch die schallwirksame Holzlammellendecke, die das Atrium und die komplett offen gehaltenen Büroflächen überspannt.
Die anschließenden Fragen an die Redner und die Diskussion im Zuhörerkreis schlossen den gelungenen, sehr interessanten Vortragsvormittag ab. Alle waren sich einig: Dieses Thema, auch wenn es nicht nur auf Krankenhausbau fokussiert ist, wird im AKG weiter verfolgt.
Autorin:
Dipl.-Ing. Architektin BDA Renée Möser
Vorstandsmitglied und Schatzmeister im AKG
RJ. Planungsbüro GbR, Erfurt
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Architekten für Krankenhausbau und Gesundheitswesen e.V.
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© medAmbiente, Ausgabe 02|2019, 22. Jahrgang